Lenin dada by Dominique Noguez

Lenin dada by Dominique Noguez

Autor:Dominique Noguez
Die sprache: deu, deu
Format: epub
ISBN: 9783038550327
Herausgeber: Limmat Verlag
veröffentlicht: 2015-08-31T16:00:00+00:00


Ich las kürzlich in einer überschwänglichen, Lenin huldigenden Artikelsammlung einen Auszug von Gorkis Erinnerungen, wo dieser behauptet – und er ist nicht der Einzige, daran haben viele geglaubt198 –, dass Wladimir Iljitsch die Musik, und im Besonderen die Appassionata von Beethoven, bewunderte. Gorki muss sich auf einen sachfremden Eindruck beziehen oder von einigen unbedachten Äusserungen seines Freundes berichten, denn Lenin konnte Musik nicht ausstehen. Wie oft bekannte er mir, davon nichts zu verstehen. Ich spielte ihm Walzer von Chopin, Etüden von Beethoven, Notturnos, Märsche, Präludien, ohne dass ihn dies je bewegt hätte. All dies traf zu auf Wagner, Debussy, Brahms, Liszt, Bach, Tschajkowski bis hin zu Massenet. Er schämte sich auch nicht, mir zu sagen, dass er nur Montéhus bewunderte, und er begann, dämliche Melodien zu pfeifen.199

In dasselbe Horn, wenn wir so sagen wollen, stösst auch Krupskaja. In einem Brief von Krakau etwa schreibt 1913 seine treue Begleiterin, dass ein Beethoven-Konzert Lenin und sie «schrecklich gelangweilt» habe.200 Das Kino? Er, der eines Tages (aus Spott?) erklärte, die Kinematografie sei «von allen Künsten die wichtigste», ist in Wahrheit ein «entschiedener Anticinemist», so der von Krupskaja geprägte Ausdruck.201 Das Theater? Er mag es nicht,202 und wenn er es in Paris einmal besucht, so um Stücke von … Paul Bourget zu beklatschen.203

Wenn wir dem noch anfügen, dass neben dem Cabaret204 in seinen Augen nur noch das Wachsfigurenkabinett205 als Ort der Kunst ein wenig Gnade findet, so werden wir verstanden haben, dass Lenin mit seinem Spott von vornherein ein konsequenter Dadaist ist, der noch so gerne mitunterzeichnet hätte, was Raoul Hausmann und Georges Ribemont-Dessaignes erklären:

Wir werden Euch ein Ende bereiten. Den kommunistischen Elan gegen den Bürger, den Geistigen in die Kunstfabrik für die Geistesauflösung. Warum spricht das Kommunistische Manifest nicht von dem Geistesbourgeois, der mit seinen Ausscheidungen die Besitzperipherie sichert. So blieb die Welt eine Kloake der Feierlichkeit. Hier hilft nur Zwangsarbeit mit Peitschenhieben. Wir fordern Disziplin! Gegen die freie Kunst!! Gegen den freien Geist!!!206 – Wenn wir Ihnen einen guten Rat geben können, so den, für Parasiten der Kunst Konzentrationslager einzurichten …207

– auch wenn er allzu früh dahingegangen ist, um jeden ihrer liebenswürdigen Vorschläge noch selbst verwirklichen zu können.



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